Tristesse an der Tischtennisplatte

Kreisverband kämpft gegen Mitgliederschwund und fehlenden Nachwuchs — Wenig Interesse an Kreispokal-Finalrunde

Von Tim Scholz

HEDENDORF Immer weniger Menschen in Deutschland spielen Tischtennis. Im Kreis Stade hält sich der Rückgang offenbar in Grenzen. Aber das will der Verband nicht als Erfolg werten und versucht den Nachwuchs an die Platten zu locken.

Leon Bömmelburg wendet sich von der Tischtennisplatte ab. Schüttelt den Kopf. Wischt sich mit einem Handtuch über das Gesicht. „So ätzend, es klappt einfach nichts”, murmelt er. Bömmelburg steht mit dem VfL Güldenstern Stade II im Finale um die Kreisplakette. Die Partie gegen den TSV Großenwörden ist zwar schon zugunsten Stades entschieden, aber das mindert nicht den Ehrgeiz.

Nach seinem Match dauert es einen Augenblick, dann kann Bömmelburg (22), wieder grinsen. Stade gewinnt die Kreisplakette mit 5:2 und lässt damit die 32 anderen Teams in diesem Wettbewerb hinter sich. Am Abend kehrt das Team beim Griechen in Stade ein. Doch in der hiesigen Tischtennisszene herrscht nicht nur Feierlaune. Bömmelburg, Vorsitzender des TTKV Stade, des Tischtenniskreisverbandes, berichtet von Mitgliederschwund, fehlenden Spielerinnen und fehlendem Nachwuchs.

Es passt dazu: Immer weniger Menschen in Deutschland wollen Tischtennis spielen. Vor zwanzig Jahren waren es noch knapp 700 000, nun sind es noch rund 520 000. Obwohl viele Menschen bereits an der Betonplatte auf dem Schulhof irgendwie mit Tischtennis in Berührung gekommen sind, ist der Sport im Verein bedroht „Zeit Online” befasste sich vor einigen Jahren mit den Gründen für die Krise. Einer davon: Tischtennis hat ein Image-Problem, gilt als Sport für Nerds, Physiker, Informatiker. Kurz: Tischtennis ist nicht sexy.

Wie groß der Rückgang im Kreis Stade ist – diese Zahlen erhebt der TTKV nicht. Aber in Niedersachsen, sagt Bömmelburg, verlören die Tischtennisvereine jedes Jahr 1,5 Prozent ihrer Mitglieder „In Stade sind wir im Vergleich noch gut aufgestellt“, sagt Bömmelburg. Auch die Einbrüche durch Corona hätten sich in Grenzen gehalten. Doch das wollen sie nicht als Erfolg verbuchen.

Nach zwei Jahren Pandemie-Pause ist die Waldsporthalle in Hedendorf der Austragungsort der Finalrunde um Kreispokal und Kreisplakette. Grüner Teppich an den Wänden, orangefarbene Vorhänge, die gedämpftes Sonnenlicht durchlassen. Ansonsten wäre es schon duster in der Halle. Teile der Beleuchtung sind defekt. Und die Tribüne: so gut wie leer. Die Zuschauer lassen sich an einer Hand abzählen. „Es ist schade, dass nicht mehr los ist“, sagt Klaus Wilkens, der Zweite Vorsitzende des Kreisverbands. Ein tristes Bild.

An den vier Platten, umgeben von grünen Plastikaufstellern, wird um den Platz auf der hölzernen Siegertafel gekämpft. Es sind Männer mit vollem Haar, Männer mit lichtem Haar. Einige mit sportlicher Statur, andere mit Bäuchlein. Einige noch Schüler, andere im Rentenalter. So wie Dieter Holst

Holst, 69, spielt seit 55 Jahren Tischtennis, nahm an Europameisterschaften für Senioren teil und ist mit dem TuS Harsefeld in der Bezirksklasse unterwegs. Holst ist ein Spieler, den sie als „Fuchs” bezeichnen. Der Grund dafür dürfte auf seinem Schläger zu finden sein.

Holst hat beide Seiten mit Noppen versehen, kurzen und langen, „Mit den kurzen Noppen kann ich besser blocken”, sagt er und deutet auf den roten Belag. Mit den langen Noppen, das ist der schwarze Belag, kann er eine zusätzliche Rotation erzeugen. „Der Ball fällt schneller runter.” Holst, der Tüftler, weiß sich gegen Jüngere zu verteidigen. Im Finale um den Kreispokal kann er zwei Matches gewinnen. Doch auf die Platzierung in der Gesamtwertung haben sie keine Auswirkung. Der TuS Hansefeld wird Dritter und damit Letzter. Der Post SV Stade holt den Kreispokal, der VfL Fredenbeck II wird Zweiter. Holst sitzt dennoch zufrieden auf einer Turnbank am Rand der Waldsporthalle. Das Pils aus der Flasche und das selbstgeschmierte Butterbrot mit Käse scheinen zu schmecken.

Bei den Herren sieht sich der TTKV noch gut aufgestellt – problematisch wird es dagegen beim Nachwuchs. Bömmelburg berichtet, dass in nicht mal der Hälfte der 28 Tischtennisvereine im Kreis Jugendarbeit geleistet werde, „in einigen Hallen sind zwei bis sechs Kinder, andere sind brechend voll”. So wie beim VfL Güldenstern Stade. Bömmelburg leitet dessen Abteilung, spricht von im Schnitt 25 Kindern und Jugendlichen im Training.

Der TTKV-Vorstand macht sich im Moment Gedanken darüber, wie die Jugendarbeit wiederbelebt werden kann. Bei einer Tagung im Juni stellte der Verband fest „Ein schnelles Handeln der Mitgliedsvereine ist dringend nötig.” Und der Verband will dabei helfen. Ob Mini-Meisterschaften, Schnupperangebote für Schulklassen oder ein monatliches Jugendtraining für Talente im Kreis – die Ideen sind vorhanden und stehen in einem mehrseitigen Konzept.

Bömmelburg verspricht, dass in den nächsten zwei Jahren relativ viel passieren wird. „Wir wollen nicht, dass die Alten irgendwann das Licht in der Halle ausmachen, und dann war´s das.“

Quelle: Stader Tageblatt / 19.07.2022

Bilder: Dennis Mangels